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Postkarte aus China: Baidu-Mythbusting – 10 Irrtümer über SEO in China

Konfuzius, Shaolin-Kungfu, Yin und Yang, der moderne und kapitalistische Kommunismus: China ist ein Land voller Mystik und Gegensätze. Oft noch bekannt als das Mekka der Billigkopien, produziert China heute Technik- und Internet-Startups, die ihresgleichen im Westen suchen. Die chinesische Suchmaschine Baidu ist da keine Ausnahme. Sie hat viele Ähnlichkeiten zu Google und Bing, kann aber auch mit völlig eigenen Innovationen aufwarten. Aus diesem Grund interessieren sich Suchmaschinenoptimierer aus aller Welt für Baidu. Aber vieles, was über SEO für Baidu berichtet wird, stimmt nicht, hat noch nie gestimmt oder stimmt heute nicht mehr. In diesem Artikel möchte ich mit einigen dieser SEO-Mythen aufräumen – und den einen oder anderen vielleicht sogar bestätigen.

Baidu Mythbusting, Searchmetrics

Mythos 1: Man benötigt eine chinesische Domain

Ein hartnäckiger Mythos, den man immer wieder hört, besagt, dass man eine chinesische TLD (Top Level Domain) wie .cn oder .com.cn benötigt. Dies ist schlichtweg falsch und kann mit einigen guten Beispielen widerlegt werden. Einige der erfolgreichsten chinesischen Websites, die nicht auf .cn oder .com.cn laufen (neben Baidu.com):

top-.com Domains China

Tatsächlich finden sich in den Top 1.000 Domains (nach SEO-Visibility) in China mehr .com-Domains als .cn und .com.cn Domains in Summe.

Top-Level-Domains Verteilung in China (Baidu), Searchmetrics

Wahr ist aber, dass Baidu kürzlich davor gewarnt hat, ungewöhnliche/unübliche TLDs zu nutzen. Diese sind oft günstiger als .com, .cn oder .com.cn, weshalb sie oft von Spammern genutzt werden. Als Resultat sagt Baidu, dass Domains mit solchen unüblichen TLDs weniger Trust verdienen können.

Doch auch ohne die Warnung von Baidu, hätte jeder gute UX-Experte von der Wahl einer ungewöhnlichen TLD abgeraten. Eine unübliche TLD kann für Misstrauen beim Suchenden sorgen. Eine deutsche .de-Domain zwischen den anderen .com-, .cn- oder .com.cn-Domains fällt auf und lässt den Suchenden aufmerksam/misstrauisch werden. Die Folge sind schlechtere Klickraten, die zur Verschlechterung der Platzierung führen.

BUSTED: Man kann in China eine erfolgreiche Website auch ohne chinesische TLD betreiben.

Mythos 2: Meta-Keywords sind ein Ranking-Faktor

Von vielen Webdesignern noch gerne genutzt, um Websites zu optimieren, schwören viele Hobby-SEOs auf Meta-Keywords, wenn sie eine Website für Baidu optimieren.

Doch was bei Yahoo und Bing schon lange nicht mehr funktioniert und bei Google noch nie funktionierte, findet heute auch bei Baidu kein Gehör mehr. Noch bis vor zwei Jahren haben auch chinesische SEO-Experten empfohlen, die Meta-Keywords zu nutzen. Seit einiger Zeit aber sind sich auch SEOs in China sicher, dass Baidu dem Keywords-Metatag keine Beachtung mehr schenkt (siehe hierzu diese Diskussion (chinesisch)).

BUSTED: Meta-Keywords sind kein Ranking-Faktor für Baidu.

Mythos 3: Eine ICP-Lizenz muss her

Die Internet Content Provider (ICP) License wird von der chinesischen Regierung an in China registrierte Unternehmen ausgestellt. Sie soll sicherstellen, dass eine Website nur Inhalte veröffentlicht, welche dem Chinesischen Volk nicht schaden (stark verallgemeinerte und persönliche Interpretation meinerseits).

Obwohl eine ICP-Lizenz viele Vorteile bietet und man sich mit ihrer Hilfe weitere Ranking-Vorteile bei Baidu verschaffen kann, ist die Lizenz selbst völlig unnötig. Auch ohne sie kann man eine Website von Baidu indexieren und ranken lassen.

BUSTED: Die ICP-Lizenz ist nicht essentiell für Rankings in Baidu.

Mythos 4: Organische Ergebnisse sind käuflich

Ein Gerücht, das sich hartnäckig hält, ist, dass man sich in die organischen Suchergebnisse einkaufen kann. Es vergeht nicht ein Baidu-SEO-Workshop, in dem ich nicht dazu befragt werde.

Tatsächlich ist es aber nicht mehr als ein Gerücht. Baidu hat zwar die Möglichkeit „per Hand“ in die Suchergebnisse einzugreifen und konkrete Ergebnisse auszuschließen/zu deindexieren. Zum Einsatz kommt dies aber in der Regel nur, wenn politisch oder gesellschaftlich nicht tolerierbare Seiten zu hohe Rankings erzielen.

Auch über persönliche Kontakte zu Baidu-Mitarbeitern muss an dieser Stelle abgeraten werden. Die Mitarbeiter würden sich strafbar machen und riskieren ihren Job und hohe Strafen.

BUSTED: Einkaufen kann man sich nur in die Baidu-Ads, nicht in die organischen Ergebnisse.

Baidu AdsBaidu-Ads: Bezahlte Suchergebnisse in den ersten Positionen

Mythos 5: Link-Spamming ist das A und O

Baidu hat wie andere moderne Suchmaschinen, dem Vorbild von Google folgend, den Backlink als das Ranking-Kriterium angenommen. Genauso wie Google lange Zeit mittels inflationär gesetzter Links manipuliert werden konnte, ist auch Baidu nicht vor Linkspam gefeit.

Daher könnte man sagen, dass dieser Mythos tatsächlich noch der Wahrheit entspricht – Baidu kann mit künstlich aufgebauten Links manipuliert werden.

Aber Vorsicht! Ähnlich wie Googles Penguin die westliche SEO-Welt in Aufregung versetzt, bringt auch Baidu in unregelmäßigen Abständen Updates, welche gezielt Manipulation und Spam bestrafen und korrigieren sollen.

SEMI-BUSTED: Linkspam kann auch bei Baidu über kurz oder lang zu Abstrafungen führen. Verdiente und sinnvoll aufgebaute Links, die dem User helfen, sollten auch im Baidu-SEO das Credo sein.

Mythos 6: Ohne chinesischen Server geht’s nicht

Auch ich empfehle immer einen chinesischen Webserver oder einen guten CDN-Dienst mit Servern in China zu nutzen, wenn es darum geht, das Hosting für die chinesische Website zu bestimmen. Jedoch ist ein chinesischer Server kein absolutes Muss, um von Baidu indexiert und gut gerankt zu werden.

Entscheidend ist, dass eine Website, die in China gehostet und ausgespielt wird, oftmals deutlich schneller ist als eine Website, die außerhalb Chinas gehostet wird. Nicht nur die Entfernung spielt eine Rolle, sondern auch die „Great Firewall of China“, welche eine im Ausland gehostete Website deutlich entschleunigen kann.

BUSTED: Ein chinesischer Server ist kein Ranking-Kriterium für Baidu, wenn die Website in China schnell genug lädt.

Mythos 7: Jeder Text braucht eine chinesische Übersetzung

Oft werden Inhalte einfach ins Englische übertragen und schon gilt die Website als internationalisiert. So wenig dieser Ansatz praktikabel für Google UK und US ist, passt dies noch weniger für das Ranking beim chinesischen Marktführer Baidu.

Oft erfassen chinesisch-sprachige Übersetzungen die Begrifflichkeiten nicht, die in der heutigen chinesischen Kultur notwendig sind, um über das Produkt zu sprechen und davon zu überzeugen. Häufig geht bei einer wörtlichen Übersetzung die Botschaft verloren. Jeder weiß, was bei englischen Übersetzungen chinesischer Texte rauskommen kann, wenn diese nicht geprüft werden.

Beispiel für eine schlechte ÜbersetzungBildquelle: aliexpress.com

Eine reine Übersetzung der Texte kann daher Zeit und Geld verbrennen, da Impressions in den SERPs und Traffic trotzdem ausbleiben.

Stattdessen sollte man mit chinesischen Muttersprachlern zusammenarbeiten, die die moderne Kultur und Sprache kennen. Diese sollten Ihre Botschaft und Ihre Produkte verstehen und auf die neue Zielgruppe der chinesischen Nutzer übertragen. Welche Problemstellungen, welche Ansprüche und welche Erwartungen haben die chinesischen Kunden, die mit den Produkten gelöst werden können?

Wichtig ist, wie sich das Produkt von dem der chinesischen Mitbewerber unterscheidet. Denn die USPs für den chinesischen Markt mögen andere sein, als für jeden anderen westlichen Markt. (Stichwort: „Made in Germany“)

SEMI-BUSTED: Bei Baidu gilt: „Nicht übersetzen, sondern lokalisieren!“

Mythos 8: Google Analytics funktioniert in China nicht

In China sind einige Google-Dienste – darunter die Google-Suche – zwar blockiert. Aber dies bezieht sich nicht auf alle Dienstleistungen. In China sollen vor allen Dingen die Dienstleistungen keine Bühne bekommen, die unkontrollierte oder falsche Informationen verbreiten. Aus diesen Gründen sind die Google-Suche aber auch die Social-Media-Dienste Facebook und Twitter im öffentlichen Zugriff gesperrt.

Dienstleistungen wie Google-Translate oder Google-Analytics, die nicht auf User-Generated-Content zurückgreifen, können aber ungehindert in China genutzt werden. Die Analytics-Trackingcodes funktionieren einwandfrei und tracken chinesische Besucher so gut wie sie deutsche oder amerikanische Besucher tracken.

Google Analytics User-Tracking in ChinaStandort-Report in Google Analytics zeigt, dass Besucher aus China getrackt werden können

Nur der Zugriff auf das Analytics-Frontend wird erschwert, da es über dieselbe Root-Domain läuft, wie die Google-Suche. Die „Great Firewall of China“ macht hier keinen Unterschied zwischen Dienstleistungen. Das heißt aber nicht, dass Analytics nicht genutzt werden darf, sondern lediglich, dass man nicht so viel Aufwand in die Erkennung investieren möchte, welche Google-Dienste gut und welche böse sind.

BUSTED: Google Analytics kann eingesetzt werden, solange die Kontrolle der Analytics-Daten außerhalb Chinas oder via VPN durchgeführt wird.

Mythos 9: Die Baidu Webmaster Tools sind genau wie die Google Search Console

Für Google-SEOs ist die Search Console eine wirklich gute Informationsquelle, die in einigen Situationen ein extrem wertvolles Tool sein kann, aber die Baidu Webmaster Tools sind meiner Meinung nach ein viel mächtigeres Werkzeug im Umgang mit SEO für Baidu.

Als kleines Beispiel darf die träge Interpretation von 301-Redirects durch Baidu stehen, wenn ein Webmaster URLs anpasst und weiterleitet. Es kann manchmal Monate dauern und muss nicht ohne Rankingverluste einhergehen, bis Baidu die Änderungen wahrnimmt und in den Suchergebnissen wiederspiegelt. Noch ärgerlicher ist dies bei Domain-Umzügen. Hier können die Baidu Webmaster Tools Abhilfe schaffen, denn sie bieten die Möglichkeit, Baidu konkret über URL-Veränderungen zu informieren.

BUSTED: Die Registrierung der Website in den Baidu Webmaster Tools ist absolutes Pflichtprogramm für Baidu-SEOs.

Mythos 10: Baidu-SEO ist zwecklos, weil die Big Player eh vorne ranken werden

Während in Bing und Google auch kleine Websites eine Chance haben für starke Suchbegriffe auf der ersten Ergebnisseite zu ranken, wenn sie eine höhere Relevanz oder Spezialisierung aufweisen können, wird dies auf Baidu wirklich schwierig. Hoch umkämpfte Suchbegriffe werden oft nur von großen und mächtigen Websites belegt – nicht selten von Baidu selbst wie z.B. Baidu-Baike, dem eigenen Wikipedia des Suchmaschinengiganten.

Die erfolgversprechendste Strategie ist daher, gezielt auf die zweitrangigen und Longtail-Suchbegriffe zu optimieren und so die Besucher über die schiere Masse an Keyword-Rankings einzusammeln, anstatt es mit den Hauptsuchbegriffen zu versuchen.

Unbedingt ansehen sollte man sich auch alternative Traffic-Quellen wie die chinesischen sozialen Netzwerke wie Weixin (WeChat), Weibo und QQ, Diskussionsforen und die direkten alternativen Sales-Kanäle wie Taobao und T-Mall.

SEMI-BUSTED: Baidu-SEO-Strategien können auch für kleinere Websites funktionieren, wenn sie den Fokus auf Longtail-Keywords legen.

Mythenbasiertes SEO funktioniert nirgendwo

SEO für China ist machbar. SEO für China ist anders. Aber viele der Gerüchte, die über SEO für Baidu kursieren, kratzen nur an der Wahrheit, basieren auf oberflächlichen Beobachtungen (ohne echte Grundlage) oder werden wie im Kinderspiel „Stille Post“ unreflektiert weitererzählt.

Baidu-SEO-Mythen – Busted, Searchmetrics

Disclaimer: Auch dieses Baidu-SEO-Mythbusting basiert größtenteils auf meinen eigenen Erfahrungen oder auf den Erfahrungen meiner chinesischen Kollegen. Du magst also andere Beobachtungen gemacht haben.

  • Welche Mythen hast Du über SEO für China bislang gehört?
  • Welche Mythen hast Du nie geglaubt – welche erschienen Dir aber vielleicht plausibel?
  • Welche der von mir genannten Mythen magst Du vielleicht weiterhin glauben?
  • Oder hast Du keine Wahl, welche davon zu glauben?

Alle Blogposts aus unserer Reihe “Postkarte aus China” gibts hier!

 

Tagged:
Marcus Pentzek

Marcus Pentzek

Hallo, mein Name ist Marcus Pentzek und ich bin Chief SEO Consultant bei Searchmetrics. Unseren Suite-Kunden stehe ich gerne mit Rat und Tat bei der Suchmaschinenoptimierung ihrer Webseiten zur Seite. Insbesondere International SEO (China, aber nicht nur China!) ist dabei mein Steckenpferd. Über rege Diskussionen in den Kommentaren freue ich mich sehr, ansonsten findet ihr mich auch bei LinkedIn.

3 thoughts on “Postkarte aus China: Baidu-Mythbusting – 10 Irrtümer über SEO in China


  • Faszinierend. Man ist in unseren Breiten so von Google dominiert, dass man leicht vergisst, dass es nicht GO, sondern SEO heißt.
    Auf jeden Fall wäre eine starke Konkurrenz zu Google auch in unseren Breiten eine feine Sache.

  • Hi Marcus,

    danke für deinen interessanten Beitrag.

    Ich habe tatsächlich bis eben immer an Mythos 1 geglaubt. Zu meiner Verteidigung habe ich mich nur einmal kurz mit einem Kunden zu Baidu beschäftigen müssen.

    Da XOVI aber zu dem Zeitpunkt die Rankings nicht auslesen wollte, habe ich argumentiert, dass die Seite nicht indexiert ist, weil es keine chinesische Domain gibt.

    Genau den Mythos 1 habe ich damals gelesen und mir nicht viel weiter dabei gedacht. Jetzt im Nachhinein ziemlich ärgerlich, weil es doch ein großes Publikum für den Kunden war.

    Desweiteren habe ich auf einer kleinen Hobbyseite mit einer .net sogar baidu User ohne irgendwas Spezielles gemacht zu haben.

    Viele Grüße
    Patrick

  • Hallo Patrick,

    ja, der erste Mythos ist weit verbreitet und hält sich auch unter vermeintlich professionellen und spezialisierten Baidu-SEO-Agenturen. Denkt man aber einmal abgesehen von den messbaren Daten, die gegen den Mythos sprechen, logisch darüber nach, so hat Baidu keinen Grund nicht-chinesische TLDs zu ignorieren. Es würde allerdings einen Sinn machen chinesischen TLDs einen kleinen lokalen Vorteil zuzugestehen. Der dürfte aber nicht über das Gut hinausgehen, dass Baidu bewerten möchte: Relevanz.

    Deine kleine Hobbyseite zeigt, dass sogar unpopulärere TLDs, wie .net, eine Chance auf Rankings in Baidu haben ;-)

    LG,
    Marcus


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