SEOs sollten mehr Zahlenmenschen als Bauchmenschen sein. Natürlich sind 10 Prozent der Maßnahmen auch eine Frage der Intuition. Aber wenn es ums Ergebnis und um die 90 Prozent “Standard-Maßnahmen” geht, sollten alle Beteiligten dieselben Werte und Zahlen sehen. Und solche Werte und Zahlen werden gemeinhin “KPIs” (Key Performance Indikator bzw. “Leistungskennzzahl”) genannt. Deshalb ein paar Worte dazu, was ein KPI ist, welche davon im SEO-Business Sinn machen und wie man damit umgeht.
Wer oder was ist ein KPI?
Zunächst einmal zur Erklärung: Ein KPI ist eine Kennzahl, mit der ein Fortschritt und/oder der Erfüllungsgrad eines Zieles gemessen und dargestellt wird. Es ist also keine Zahl, die “an sich” gut oder schlecht ist – sondern immer nur im Zeitverlauf oder im Vergleich zu Wettbewerbern ihren wahren Wert zeigt. Wenn wir also 10.000 ungute 404-Seiten auf unserer Webseite haben, ist das weder gut noch schlecht, sondern davon abhängig, wie groß unsere Seite ist. Aber wenn das von Woche zu Woche weniger werden, kommen wir unserem Ziel einer fehlerfreien Seite immer näher. Zahlen ohne thematischen Hintergrund sind wenig hilfreich und sollten auch gar nicht erhoben werden.
Die Zahl der Seiten im Index sind ein feines Beispiel: Zunächst sollte man davon ausgehen, dass diese Zahl immer wachsen sollte. Klar, denn je mehr Seiten man im Index hat, umso mehr Möglichkeiten für einen Treffer gibt es. Doch wir stoßen bei unseren Kundenprojekten fast immer zunächst auf das Gegenteil: Es gibt zu viele sinnlose Seiten im Index. Diese müssen dann mit geeigneten Mitteln dort heraus gepuhlt werden. Zum Start des Projektes ist das Ziel dieses KPIs also, zu sinken. Wenn wir dann ein gutes Verhältnis zwischen den Seiten im Index und dem vorhandenen Content gefunden haben, sollte der KPI wieder steigen. Die Richtung hat sich also geändert.
Außerdem sind KPIs häufig auch schon aggregierte Daten und beinhalten manchmal mehrere Teil-Daten. So besteht etwa die Visibility einer Seite aus gewollten und aus nicht gewollten Rankings. Gibt es rasche Änderungen, ist das zwar ein Grund für erhöhte Aufmerksamkeit – aber noch kein Grund zur Panik. Denn wenn nur die ungewollten Rankings abgestürzt sind, dann ist doch alles in Ordnung.
Empfehlung: KPI Dashboard bauen
Deshalb empfehle ich jedem SEO, sich sein persönliches SEO-Dashboard zusammen zu bauen. In dieses kommen zum Beispiel wöchentlich die Zahlen, die wichtig sind. Und schon nach wenigen Wochen zeigt ein einziger kurzer Blick darauf, ob die Woche besonders gut, richtig mies oder erwartungsgemäß verlaufen ist. Es macht ausdrücklich (fast) keinen Sinn, wenn man im Falle eines massiven Rankingverlustes damit startet, alle möglichen Zahlen zu erheben. Das ist etwa so, als wenn man nach einem Festplatten-Crash über das Backup des Rechners nachdenkt…
KPIs für jeden Fall
Merke: Es gibt keine (KEINE) Standard-Tabelle für SEO-KPIs. Ich kann hier nur viele häufig sinnvolle Zahlen angeben, mit denen eine halbwegs normale Webseite überwacht und gesteuert werden kann. Dazu benötigt man gleich mehrere Tools. Ich setze voraus, dass die Searchmetrics Suite, die Google Webmaster Tools und Google Analytics (oder jede andere Web Analyse) vorhanden sind.
Sichtbarkeits-KPIs*
- Organic Visibility (S)
- Universal Visibility (S)
- Paid Visibility (S)
- Project Visibility (Sichtbarkeit für hinterlegte Keywords) (S)
- All diese Metriken im Vergleich zum Wettbewerb (S)
- Verzeichnis-Visibility (für wichtige Verzeichnisse ggf. mit anderen Wettbewerbern) (S)
- SERPs-Spreading (im Zeitverlauf und mit Mustern z.B. Peak auf 30 -> Penalty) (S)
- Zahl der Keywords im Index (S, GA)
- Position ausgewählter Keywords (S)
Besucher von Google*
- Google Referrer (GA)
- Traffic ausgewählter Keywords (GA, S)
- Verweildauer, Bouncerate von Google Besuchern (GA)
Technik-KPIs*
- Seiten im Index (S, GWA)
- XML-Daten (eingereicht, indexiert) (GWA)
- von der robots.txt blockierte URLs (GWA)
- Crawling Fehler jeglicher Art
- Weiterleitungs-Fehler (z.B. auch Mischweiterleitungen)
Content-KPIs*
- Conversion der SEO-Besucher (im Verhältnis zu allen Besuchern) (GA)
- Fehler bzw. mangelnde Keywords in Meta-Tags bzw. Title Tags (S)
- Fehlende Keywords in Headlines (S)
- Fehler in ALT-Tags von Bildern (S)
Link-KPIs*
- Link-Popularität (S)
- Domain-Popularität (S)
- IP-Popularität (S)
- IP Class C Popularität (S)
- aggregierte Linkdaten wie “Page Strength” (S)
- Anchor-Texte (S)
- Verhältnis nofollow-follow (S)
- Verhältnis Home-, Deeplinks (S)
- Links von Nachrichtenseiten (S)
- Fehler in interner Verlinkung (S)
- Fehler bei Weiterleitungen (S)
* Die Buchstaben in den Klammern dahinter nennen die Quelle: “S” für Searchmetrics Suite/Essentials, “GWA” für Google Webmaster Tools und “GA” für Google Analytics.
Wie man KPIs findet – und verifiziert
Die Liste der KPIs hier ist nur als Inspiration und zur Auswahl gedacht. Es macht auch keinen Sinn, alle diese Zahlen zu überwachen – einen Teil der Daten kann man bei einem “normalen” Rundgang durch die Tools auch gut erfassen. Ins KPI-Dashboard sollten nur Zahlen Zugang finden, die erstens wichtig und zweitens zielführend sind. Und mit “Ziel” sind z.B. bei einer Publisher-Webseite im Grunde die Reichweite in Visits oder gar die Page Impressions (ggf. in besonders gut vermarkteten Bereichen). Bei einem Shop oder eine Affiliate-Seite sind das dagegen die Zahl der Conversions – möglichst in Bereichen mit hohen Margen. Wer seine Seite nur als Visitenkarte im Netz hat, wird sich dann wohl eher um konkrete Keywords kümmern müssen, da in diesem Fall Conversions und/oder Reichweite keine wirklich große Rolle spielen.
In jedem Fall zeigen die KPIs immer in Richtung des Online-Marketing-Ziels des Unternehmens. Und dieses zeigt immer in Richtung der Strategie oder der Vision. Aber das geht schon fast zu weit. Fest steht aber, dass wir diese KPIs besser nicht als SEOs im stillen Kämmerlein entwickeln – sondern gemeinsam mit den Leuten, die unsere Produkte verkaufen oder die unsere Webseiten vollschreiben. Denn nur, wenn diese auch der Meinung sind, dass die angenommenen Ziele und die dahin zeigenden KPIs gut ausgewählt sind, werden sie im Falle eines KPI-Großalarms alles tun, um die Situation zu drehen. Wenn dagegen der Marketing-Chef unvermittelt damit konfrontiert wird, dass seit vergangener Woche die W3C-Konformität nicht mehr gegeben ist, wird er nur ratlos die Schultern zucken und seiner Arbeit nach gehen. Mit anderen Worten:
Merke: Nur gut gewählte und abgestimmte KPIs sind gute KPIs.